Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich sitze Abends schon lange nicht mehr vor dem Fernseher und zappe zwischen RTL, Sat1, Pro7 und Co. hin und her, bis ich etwas finde, das mich interessiert oder entnervt den Fernseher wieder ausschalte. Nein, die Zeiten sind für mich vorbei. Ich suche mir meine Inhalte selbst aus. Ich habe die Macht!
Man mag über Netflix, Sky, Amazon Prime Video und Co. denken was man will, aber die Freiheit, mir mein Unterhaltungsprogramm nach einem langen Arbeitstag selbst aussuchen zu können, möchte ich mir nicht mehr nehmen lassen. Geht es euch auch so?
Falls die überwiegende Mehrheit jetzt mit „Ja“ antworten würde, wäre das klassische Fernsehprogramm dann tatsächlich ein für alle Mal Geschichte? Bereits 2011 prophezeite Bill Gates, dass das Fernsehen in fünf Jahren tot sein. Dazu ist es „noch“ nicht gekommen. Die Auswirkungen für manche TV-Sender sind jedoch schon spürbar. Der Medienkonzern Pro Sieben Sat 1 vermeldete erst vor kurzem sinkende Werbeumsätze. Auf lange Sicht sollen die schwächelnden Erlöse im Werbefernsehen mit Digitalgeschäften aufgefangen werden.
Die ältere Generation der Zuschauer schaut im Moment „noch“ zu. Junge Zuschauer kommen immer weniger nach, denn diese sind durch Netflix und Co. bereits sozialisiert worden.
Was sagen die Zahlen?
Im vierten Quartal 2018 haben laut einer GfK-Studie 18,8 Millionen Deutsche Streaming-Dienste genutzt. Darunter vor allem junge Menschen. In der Altersgruppe zwischen 14 und 39 Jahren schauten fast 60 Prozent Serien oder Filme über Netflix und Amazon Prime Video. Bei den über 50-Jährigen sind es lediglich 19 Prozent.
Desto mehr Zeit Nutzer für Streaming-Angebote aufwenden, desto weniger Zeit haben Sie, um dem klassischen Programmschema der TV-Sender zu folgen. Die junge Zielgruppe lebt in einer neuen digitalen TV-Landschaft und das klassische Fernsehen ist für sie nur noch ein Lückenfüller.
Eine düstere Zukunft?
Was könnten die Sender-Giganten gegen das Aussterben unternehmen? Studien gehen davon aus, dass sich die Nutzung von Bewegtbildinhalten bis zum Jahr 2030 verdreifachen wird. Internet und TV könnten bis dahin zu einer Einheit verschmelzen. Das könnte für den Zuschauer vieles vereinfachen, unter anderem die Bedienung der Endgeräte. Digitale Assistenten wie zum Beispiel Alexa werden in Zukunft vermutlich nicht nur die Bedienung vereinfachen, sie werden auch unsere Bedürfnisse immer mehr erahnen. Die Verfügbarkeit von Inhalten über Glasfaser, Broadcast, 5G oder das automatische Übersetzen und Synchronisieren machen jetzt schon den Konsum von Bewegtbild einfacher, schneller und größer. Innerhalb von wenigen Sekunden kann ein Video auf der gesamten Welt verbreitet werden. Doch es gibt auch Dinge, die sich nicht verändern werden. Großveranstaltungen, Sportereignisse oder Liveübertragungen wird es noch lange geben. Sie sorgen für Gesprächsstoff und fördern die Gemeinschaft.
Deshalb können wir gespannt sein, wie sich das lineare Fernsehprogramm verändern wird, welche Maßnahmen TV-Sender unternehmen werden, um nicht gänzlich unterzugehen und auf welche Neuheiten wir uns als Nutzer einstellen können. 50 Jahre nach der Einführung des Farbfernsehens wird ein neuer TV-Anstrich auf lange Sicht vermutlich unausweichlich sein.
Steht das klassische Fernsehen also vor dem Aus? Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen und je nachdem vielleicht auch nie. Die Frage ist vielschichtig und wir haben zu wenige Aspekte angerissen, um sie beantworten zu können. Hier steckt demnach noch viel Potenzial für zukünftige Beiträge.
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